FernBin
Einführung in das Projekt
Ferngesteuertes Binnenschiff – Ferngesteuertes, koordiniertes Fahren in der Binnenschifffahrt
Angesichts aktueller Herausforderungen wie dem Mangel an qualifiziertem nautischen Personal, insbesondere Schiffsführern sowie dem Güterstruktureffekt wächst der Bedarf an innovativen und zukunftsorientierten Lösungen zur Stärkung der Binnenschifffahrt. Ein tragfähiger Ansatz wird darin gesehen, Schiffe ferngesteuert zu fahren: Dabei steuert der Schiffsführer das Schiff nicht mehr von seinem Steuerstand im Steuerhaus, sondern von einem Fernsteuerstand an Land. Die Schiffsführung wird damit zu einem Arbeitsplatz an einem festen Arbeitsort in Wohnortnähe.
Darüber hinaus eröffnet dieser Ansatz die Möglichkeit, dass ein Schiffsführer mit Hilfe von Assistenz-systemen, wie z. B. Bahnregler und Kollisionswarnsystem zeitweise mehr als ein Schiff gleichzeitig steuern kann. Denkbar ist auch, dass von einer Reedereizentrale aus viele Schiffe durch eine Gruppe von Schiffsführern ferngesteuert werden. Dabei wäre nicht nur eine Redundanz vorhanden, falls ein fernsteuernder Schiffsführer unerwartet ausfällt, sondern gleichzeitig könnten auch die Kosten signifikant gesenkt werden. Dieser Ansatz wird in dem hier vorgelegten Verbundvorhaben ‚FernBin‘ verfolgt. Dabei sind alle nötigen Komponenten und Voraussetzungen zu entwickeln, um mit einem fern-gesteuerten Binnenschiff die gleiche Transportleistung und Verkehrssicherheit zu erreichen, wie mit konventionell von Bord gesteuerten Schiffen.
Damit können zwei übergeordnete Ziele erreicht werden: Der Fachkräftemangel bei Schiffsführern kann entschärft werden, indem einerseits der Beruf des Schiffsführers für junge Menschen wieder attraktiver wird und andererseits durch den Einsatz von Assistenzsystemen für das Steuern der Schiffe perspektivisch weniger Schiffsführer als Schiffe erforderlich sind. Mit der Fernsteuerung können zudem kleinere Schiffseinheiten wirtschaftlich betrieben werden, mit denen neue Logistikkonzepte realisiert und damit Güterverkehre auf die Wasserstraße verlagert werden können.
Zur Realisierung dieses Vorhabens sind verschiedene Schritte erforderlich. Hierzu gehören zunächst die entsprechenden technischen Ansätze zur Fernsteuerung der Schiffe. Diese umfassen die erforderlichen Sensoren und Aktoren sowie die zugehörigen Schnittstellen, den Fernsteuerstand an Land, das Datenprotokoll zur Gewährleistung einer robusten und sicheren Datenübertragung sowie Assistenzsysteme zur Bahnführung und zur Kollisionswarnung.
Im Weiteren gehört hierzu auch zur Realisierung der Assistenzsysteme die Prognose des Fahrverhaltens anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere in fließenden Gewässern. Dabei sind vor allem die Manövriereigenschaften des Schiffes und das Verhalten der anderen Schiffsführer als zentrale Parameter zu berücksichtigen.
Das Ziel ist ein adaptives Navigationssystem, das dynamisch auf den umgebenden Verkehr reagiert und Verkehrsinformationen in Echtzeit verarbeitet. Es unterstützt den fernsteuernden Schiffsführer, indem es den Raumbedarf für die Begegnung von Schiffen prognostiziert, visualisiert und in einem „prädiktiven Modus“ mögliche Optionen des Schiffsführers anzeigt. Dadurch versetzt es ihn in die Lage, das eigene Schiff in Abhängigkeit des Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer sicher und zuverlässig zu navigieren.
Vor dem Hintergrund eines gemischten Verkehrs aus ferngesteuerten, automatisiert fahrenden und konventionellen Schiffen soll eine Leitstelle realisiert werden, die über umfassende Informationen über das Verkehrsgeschehen an der Wasserstraße verfügt. Ein Operator in einem Leitstand beobachtet die Situation und kann ggf. lenkend eingreifen. Gleichzeitig bietet die Leitstelle Möglichkeiten zum Sammeln und Austausch von Informationen aus verschiedenen Quellen.
In der geplanten „Forschungsstrategie zum automatisierten Fahren in der Binnenschifffahrt“ ist das ferngesteuerte Fahren ein Zwischenschritt auf dem Weg zum automatisierten Fahren. Viele der Techniken und Komponenten, die hier entwickelt werden, kommen später auch auf einem automatisierten Binnenschiff zum Einsatz. Bei einem völlig autonom fahrenden Binnenschiff könnten in Zukunft die Fernsteuerfunktionen als Rückfallebene auch in eine Notfallzentrale verlagert werden, die bei Systemausfällen oder kritischen Situationen manuell eingreifen könnte.